04.11.2021

Star einer Welt im Wandel: Omar Sy ist ein GQ Man of the Year

Omar Sy ist weit mehr als der Star der Sensationsserie "Lupin". Er ist auch Stichwortgeber der großen Debatten unserer Zeit. Er kämpft seinen Kampf lächelnd, aber beharrlich, setzt sich für jene ein, die oft übersehen werden. Seine Kunstfertigkeit als Schauspieler und sein Einsatz in sozialen Fragen machen ihn zu unserem Man of the Year in der Kategorie Actor International.

Omar Sy passt in unsere Zeit wie kein anderer. Als Juwelendieb Assane Diop in der Serie "Lupin" bereichert er sich nicht selbst, sondern er kämpft für einen Ausgleich. Er hält einer Gesellschaft den Spiegel vor, die sich verändern will, aber nicht so genau weiß, wie das gehen soll. Ein Schwarzer Putzmann räumt er den Louvre aus – weil es nun mal solche Menschen sind, Schwarze in einfachen Dienstleistungsjobs, die übersehen werden. Aus dieser Eigenschaft schlägt Sy das große Potential seines Meisterdiebs. Ihm gelingt es, Kronjuwelen zu stehlen, gerade weil er nicht gesehen wird.

"Wir wollten damit spielen", sagt Sy im GQ Gespräch über die vielen Themen, die in "Lupin" verhandelt werden. Die Drehbücher hat der 43-jährige Franzose mitentwickelt. Die Leichtigkeit, mit der er schwere Themen anpackt, umweht ihn selbst. Er ist ein Mann für unsere Zeit.

Es geht um Sichtbarkeit. Es geht um Chancengleichheit in Gesellschaften, die seit der Ermordung George Floyds und der „Black Lives Matter“-Bewegung um ein neues Selbstverständnis ringen. Es geht auch darum, dass Omar Sy selbst in einem der berüchtigten Pariser Vororte in nicht ganz einfachen Verhältnissen aufgewachsen ist. Es geht darum, in einer Gesellschaft gesehen zu werden oder nicht.

Gerade im Oktober dieses Jahres schloss er einen großen Deal mit Netflix über die Entwicklung mehrer Filme für die nächsten Jahre ab. Sy wird nicht nur als Schauspieler in Erscheinung treten, sondern auch als Produzent wirken. Man düfte sich bei Sy darauf verlassen können, dass auch seine kommenden Filme, nicht nur unterhalten, sondern auch große Themen anpacken.

Von der Pariser Banlieue bis nach Hollywood

Ein Zufall brachte seine Karriere in Gang. Ende der Neunziger Jahre lud ein Kumpel Sy in eine Radio-Show, wo er so tun sollte, als sei er ein berühmter Fußballer aus dem Senegal. Das gefiel dem Publikum so gut, dass aus dem spontanen Gag eine eigene Sendung wurde. Sy landete mit Sketchen im Fernsehen, dann beim Film. 2011 spielte er die Rolle seine Lebens, den strauchelnden, aber herzensguten Pfleger Driss, der einem reichen, kranken Mann wieder zu Lebensmut verhilft. "Ziemlich beste Freunde" ist der im Ausland meistgesehene französische Filme aller Zeiten.

Für seine Rolle erhielt Sy als erster Künstler afrikanischer Abstammung den César, den französischen Oscar. Damit steht Omar Sy in einer Reihe mit Namen wie Alain Delon, Gérard Depardieu und Jean-Paul Belmondo. Eine Zeitenwende.

Sy und seine sieben Geschwister sind die Kinder west- afrikanischer Einwanderer – die Mutter aus Mauretanien, der Vater aus dem Senegal –, die in der Pariser Vorstadt Trappes aufgewachsen sind, einem der Stadtteile, die 2005 zum Schauplatz der Unruhen in der Pariser Banlieue wurden. Jugendliche, die hier groß werden, machen sich keine Hoffnungen auf Teilhabe am französischen Wohlstand.

Ein Franzose, aber auch ein Senegalese

In diesem Jahr widmete Sy sich mit gleich zwei Projekten französisch-senegalesischen Themen. Zum einen spielt er die Hauptrolle in dem Film "Tirailleurs", in dem es um die Soldaten geht, die aus der damals französischen Kolonie Senegal auf der Seite der Franzosen im Ersten Weltkrieg an die Front geschickt wurden. Zum anderen erwarb Sy die Filmrechte an dem Bestsellerroman "Nachts ist unser Blut schwarz", der ebenfalls von diesen Soldaten aus dem Senegal handelt.

Eine Rolle, sagt Sy im Interview, wird er sich selbst nicht in das Drehbuch schreiben. Die Geschichte sei schon stark genug, sagt der mit Frau und Kindern in Los Angeles lebende Sy bescheiden. Es gibt aber eine andere Geschichte, in die er sich wieder und wieder einschreibt: unsere Gegenwart.